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Junge Gerstenpflanzen in einem Versuchszentrum Junge, experimentelle Gerstenpflanzen in einem Forschungszentrum
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Patentierung von Gerste: Wo endet die Natur und wo beginnt die Erfindung?

Bei der Patentierbarkeit von Pflanzensorten gibt es eine Hierarchie der Identifikationsmethoden, welche von rein natürlichen Landrassen, die nicht patentierbar sind, zu völlig unnatürlichen Sorten, wie GVO-Sorten, die patentierbar sind, fortschreitet. Es ist die Grauzone der Gen-Editierung, die Kontroversen auslöst. Ein Rechtsstreit um die Patentierung von Gerste vor dem Europäischen Patentamt (EPA) lässt erahnen, welche weitreichenden Folgen dies für die Brauindustrie haben kann.

Eine Stichprobe von Gerstenkörnern vor einem Labortest Eine Stichprobe von Gerstenkörnern in einem Forschungslabor 

Kann man Saatgut überhaupt patentieren?

Am 10. Mai 2022 gewann ein Konsortium aus Carlsberg und Heineken, sowie deren Partner und Tochtergesellschaften, vor dem Europäischen Patentamt (EPA) einen langwierigen Rechtsstreit um drei ursprünglich im Jahr 2016 erteilte Patente. [1] Die ersten beiden Patente waren für aus konventionell gezüchteten Gerstensorten hergestellte Getränke. Das Konsortium hat diese neuen Gersten mit Hilfe einer seitdem als FIND-IT (siehe weiter unten in diesem Artikel) bezeichneten Technik entwickelt, die es ermöglicht, genetische Zufallsvarianten schnell zu identifizieren. Eine der neuen Gersten wurde ausgewählt, da sie geringere Mengen des am Geschmack von gekochtem Mais erinnernden Dimethylsulfid (DMS) produziert. Die andere Sorte enthält weniger Lipoxygenase (LOX). Dieses Enzym produziert Trans-2-Nonenal (T2T), was für den Geschmack von Pappe und nassem Papier in alternden Bieren verantwortlich ist. Das dritte Patent war für ein energiesparendes Brauverfahren mit diesen Gerstensorten. 

 
 

Wettbewerbsvorteil und Profitmöglichkeit durch patentierte Gerstensorten

Die Entscheidung des EPA löste heftigen Widerstand in der Industrie, der Politik und den Medien aus, da eine Brauerei, der die exklusive Verwendung dieser neuen Gertensorten gewährt wird, natürlich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz – oder wenigsten eine gewaltige Profitmöglichkeit durch Lizenzierung – hat. Daher protestierte eine Vereinigung von 40 Organisationen aus ganz Mitteleuropa energisch gegen den EPA Beschluss. Das Argument: Konventionell gezüchtete, mutierte Pflanzen und die damit gebrauten Biere können nicht als „Erfindung“ bezeichnet werden! [2] Eine NGO namens „No Patents on Seeds!“ schrieb in einer Pressemitteilung, „dass genetische Zufallsvarianten nicht die Bedingungen einer technischen Erfindung erfüllen. Wenn Patente auf konventionelle Züchtungen erteilt werden, können die Patentinhaber den Zugang zur biologischen Vielfalt in einer Weise blockieren oder behindern, die die traditionelle Züchtung unmöglich macht. Dies wird Konsequenzen für die Pflanzenzüchtung, die Lebensmittelproduktion und die Verbraucher haben.” [3]

Eine weitere große Sorge bereitet die wachsende Bestrebung einiger multinationaler Konzerne, in vielen Lebensmittel Branchen immer breitere rechtliche Kontrollen über das Saatgut und damit die landwirtschaftlichen Rohstoffe an sich zu reißen. Als Paradebeispiele dafür gelten die vier Unternehmen Bayer, DowDupont/Corteve, ChemChinaSyngenta und BASF, die zusammen bereits mehr als 60 Prozent des weltweiten Saatgutmarktes beherrschen. [4] Da Heineken und Carlsberg die zweit- bzw. viertgrößten Brauereien der Welt sind, befürchten einige Gegner der EPA-Entscheidung, dass diese beiden Brauriesen durch ihre Zusammenarbeit auf der Basis ihrer Patente „eine marktbeherrschende Stellung erreichen können, denn gemeinsam können diese Konzerne ihren Lieferanten vorschreiben, dass sie nur noch die patentierten Gersten anbauen dürfen. So können sie gleich zweimal verdienen – am Verkauf des Biers und am Anbau der Gersten!“ [5] Mit anderen Worten, diese Unternehmen wären dann nicht mehr nur Brauereien, sondern auch bedeutende Akteure in ihren eigenen Rohstoffketten.
 

Gibt es ein Urheberrecht auf einen lebenden Organismus?

Obwohl die EPO-Entscheidung von 2022 das letzte Wort in der Sache Carlsberg-Heineken war, war sie nicht das Ende der Kontroverse. Im Gegenteil, sie führte zu einer Zunahme der Patentanmeldungen im Bereich der Biotechnologie. Gleichzeitig verhärteten sie auch die Argumente der Opposition. Laut der World Intellectual Property Organization ist ein Patent „ein ausschließliches Recht, das für eine Erfindung gewährt wird, bei der es sich um ein Produkt oder einen Prozess handelt, der allgemein eine neue Möglichkeit, etwas zu tun, oder eine neue technische Lösung bietet.“ Damit ist ein Patent für einen Staubsauger oder ein Design eines Möbelstücks nicht das Gleiche wie Urheberrechte auf einen lebenden Organismus. Das wäre für Patente ein schlüpfriger Pfad, denn es wirft die Frage auf, ob die von den Carlsberg-Heineken Wissenschaftlern entwickelten Gerstensorten tatsächlich „Erfindungen“ oder nur natürliche neuen Gerstensorten sind.


Abkehr von der Natur bei der Züchtung von Nutzpflanzen

Die moderne Züchtung von Nutzpflanzen und Tieren verwendet heutzutage eine Hierarchie unterschiedlicher, oft nicht ganz sauber voneinander abgrenzbarer Methoden, mit denen sie sich immer weiter von der reinen Natur entfernet.

1. Die Basis dieser Hierarchie bilden die Landrassen. Dabei handelt es sich um Sorten mit nur einem einzigen Gensatz, nämlich ihrem eigenen. Sie sind das Produkt natürlicher Selektion bzw. zufälliger Mutationen, die Pflanzen helfen, sich an eine bestimmte Umgebung anzupassen. Sie können auch das Produkt einen menschlichen Selektion von Individuen sein, die am besten unseren wirtschaftlichen Zwecken dienen. In der Entwicklungsgeschichte der Braugerste sind die tschechische Sorte Haná und die englische Sorte Chevallier klassische Beispiele von erfolgreichen Landrassen.

2. Die von Menschen geschaffenen Hybridisierungen machen die nächste Schicht der Hierarchie aus. Dabei handelt es sich um völlig natürliche Kreuzungen, selbst wenn die Auswahl der genetischen Partner von unseren Wirtschaftsinteressen gesteuert wurde. Typische hybride Braugersten Beispiele sind Weyermann® Isaria 1924®, eine Kreuzung der Landrassen Bavaria und Danubia; sowie Barke®, welche aus mehreren, sukzessiven Hybridisierungen hervorgegangen ist.

3. Seit dem Aufkommen der Genetik im 20. Jahrhundert ist unsere Fähigkeit, Gene als Träger von spezifischen Merkmalen zu identifizieren, dramatisch gestiegen, was uns erlaubt Hybridisierungen viel gezielter und effizienter durchzuführen. Die jüngste Entwicklung zweier krankheits- und klimaresistenter Hopfensorten, Tango und Titan, ist ein passendes Beispiel. Solche Hybridisierungen sind nicht patentierbar.

4. Viel umstrittener sind dagegen die sich rasch verbessernden Technologien zur Gen-Editierung, bei der oft ein bestimmtes Gen, das mit einer (aus menschlicher Sicht) unerwünschten Eigenschaft eines Organismus – wie z.B. die oben erwähnte Produktion von Lipoxygenase – gezielt aus dem Genom entfernt wird… Und genau hier liegt der Kern der Debatte um die Patentierbarkeit.

5. Schließlich gibt es keine Kontroverse über die Patentierbarkeit genetisch veränderter Organismen (GVO), da diese (in einer simplifizierten Definition) nicht von der Natur erzeugt werden könnten. Z.B kann sich ein männlicher Esel auf der Weide mit einem weiblichen Pferd paaren und ein Maultier hervorbringen; jedoch ist eine Kreuzung zwischen einem Pferd und einem Kamel genetisch in der Natur nicht möglich.


Wo sind die Grenzen des Patentrechts?

In seiner Entscheidung im 2022 betonte das EPA, dass die von Carlsberg-Heineken entwickelte Methode, schnell konventionelle, optimal zum Brauen geignete Gerstenstämme zu identifizieren, keine Erfindung sei, da sie auf der „nicht gentechnisch verändernden Züchtungsmethode FIND-IT [beruht], welche ein Akronym für Fast Identification of Nucleotide Variants by droplet DigiTaL PCR (Polymerase-Kettenreaktion) ist.“ [7] Wie in der Fachzeitschrift  Seed World beschrieben, bündelt das FIND-IT-System und sortiert dann „große Variantenpopulationen mit geringer Mutationsdichte […], um gewünschte Merkmale zu identifizieren. Ein solcher Screening-Zyklus ist innerhalb von 10 Tagen möglich. Während herkömmliche Mutationsbibliotheken etwa 3.000 bis 5.000 Pflanzen umfassen, umfasst eine FIND-IT-Population mehrere Hunderttausende.“ [8] In diesem Artikel wird Toni Wendt, einer der Miterfinder der Methode, zitiert: „Mit FIND-IT können wir so schnell auf bestimmte Mutationen zugereifen, dass wir unsere Merkmalshypothese direkt an echten Pflanzen testen konnten, statt Zeit damit zu verbringen, zu diskutieren, welche Mutationen die höchsten Wahrscheinlichkeiten haben, unseren Zwecken zu dienen [...]. Dies steigert unsere Forschungseffizienz dramatisch.“ [9] Eine technische Erklärung der FIND-IT Metode befindet sich in der Science Advances Ausgabe vom 24. August 2022. [10]
 
Die vielleicht wichtigste Frage, die das FIND-IT-System als Mutations-„Identifikations-Beschleuniger“ aufwirft, ist folgende: Ist das Ergebnis immer noch nur eine Simulation eines theoretisch möglichen natürlichen und damit nicht patentierbaren Prozesses, oder handelt es sich bereits um Gentechnik und damit um eine patentierbare „Erfindung“? Diese Kontroverse ist noch nicht vollkomen geklärt, aber wo wir am Ende die Grenzen ziehen, wird weitreichende wirtschaftliche Folgen für die gesamte Brauindustrie haben.


Save the date

Das BrauBeviale-Team plant eine Podiumsdiskussion mit Experten zum Thema Patentierung von Gerstensorten auf der BrauBeviale von 26.-28. November 2024 in Nürnberg.

Literatur

[1] Pressemitteilung: Patent on barley and beer upheld,” No Patents on Seeds! 10. Mai, 2022
[2] “Patents on beer: The brewing companies Carlsberg and Heineken want a market monopoly,” No Patents on Beer.org
[3] Pressemitteilung: Patent on barley and beer upheld,” No Patents on Seeds! 10. Mai, 2022
[4] Marin Scotten, “Laying claim to nature’s work: plant patents grow fear among small growers,” The Guardian, 25. Januar, 2024
[5]  “Keine Patente Auf Bier!” Webseite. http://www.no-patents-on-beer.org/de/hintergrund/patente-bier
[6] “Patent on Brewing Barkey: Still no clarity in the granting of bio patents,” Kather Augenstein, Düsseldorf, katheraugenstein.com
[7] “Carlsberg Research Lab invents a new ultra-fast breeding technology to develop the crops of the future,” Carlsberg Breweries A/S Pressemitteilung, 26. August, 2022
[8] Treena Hein, “Conventional Breeding... With a High-Tech Twist,” Seed World, 12. Dezember, 2023
[9] Ibid.
[10] Søren Knudsen + 30 Autoren, “FIND-IT: Accelerated trait development for a green evolution,” Science Advances, 24. August, 2022. Online: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.abq2266


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